31.07.2010 EM und JEM in Italien – Bericht von Benno

Der zweite Wettkamptag der Pisten-EM am gestrigen Freitag fiel wegen starker Regenfälle fast komplett ins Wasser, in den Regenpausen konnten lediglich die 500-m-Vorläufe durchgezogen werden.
Am heutigen Freitag wurde das komplette Restprogramm des gestrigen und des heutigen Tages durchgezogen, lediglich die für heute vorgesehenen 3000-m-Punkterennen der Junioren B wurden auf den morgigen Sonntag verschoben.

Die Wettkämpfe begannen schon früh um 8.30 h, allerdings blieb auch das heutige Mammut-Programm nicht vom Regen verschont. Kurz vor 12 h fing es an in mehreren Schüben zu schütten, auf dem Meer vor San Benedetto wurden sogar insgesamt acht imposante und bedrohliche Windhosen gesichtet. Bis 17 h war die Bahn dann wieder trocken und die Wettkämpfe konnten wie geplant bis ca. 00.30 h abgeschlossen werden.
Für die deutschen Läufer lagen heute glänzende Erfolge und großes Pech dicht beieinander. Herausragend war vor allem der Junioren-EM-Titel der Großbettlingerin Tamara Felbinger im 10000-m-Ausscheidungsrennen der B-Juniorinnen. Dieser ist umso höher zu werten, als sie sich taktisch äußerst clever faktisch als Allein-Kämpferin gegen das wie üblich mannschaftlich sehr geschlossene und auch entschlossene italienische Dreier-Team durchsetzen konnte. Hervorragend lief hier auch die Geraerin Josie Hofmann auf dem siebten Platz.

Fast noch schwerer hatte es Katharina Rumpus bei den A-Juniorinnen. Sie hatte am ersten Wettkampftag ja bereits Bronze im Ausscheidungsrennen geholt und dabei den favorisierten italienischen und französischen Läuferinnen gehörig Respekt eingeflößt. Auch heute lief sie schlichtweg überragend sowohl im 500-m-Sprintrennen als auch im kombinierten 10000-m-Punkte-Ausscheidungsrennen und holte dabei Silber bzw. Bronze. Im 500-m-Lauf brachte sie sich in einem sehenswerten Zielsprint auf den letzten Metern noch vom vierten auf den zweiten Platz nach vorn. Im kombinierten 10000-m-Punkte-Ausscheidungsrennen lag sie, die auch in diesem Rennen als Allein-Kämpferin laufen musste,  wenige Runden vor Schluss noch zwei Punkte hinter der Französin Marie Poidevin. Die beiden Italienerinnen D´Annibale und Giroldi waren schon weit enteilt, damit waren für die übrigen Läuferinnen in den Zwischen-Sprints keine Punkte mehr zu holen, und im Zielsprint war auch nur noch maximal ein Punkt für die Dritte im Zieleinlauf drin. Damit schien Bronze für Rumpus unerreichbar. Es gab nur eine einzige winzige Chance für Rumpus: Die Französin musste bei einem der restlichen Ausscheidungssprints hinten liegen. Rumpus machte dann konsequent in der Verfolgergruppe enormes Tempo, obwohl die beiden Italienerinnen uneinholbar waren, aber sie erreichte dass die müde werdende Französin tatsächlich bei der vorletzten Ausscheidung passen musste und damit ihre sämtlichen Punkte verlor. Das bedeutete Bronze für Rumpus, die sich auch in diesem Rennen wieder in vielerlei Hinsicht als großes Vorbild für unsere Läufer darstellte: Absoluter Kampfeswille auch in scheinbar aussichtsloser Situation, taktisch äußerst kluge Rennen, aber auch Respektieren der Gegnerinnen. Und dass sie auch vorbildlich in der Unterstützung ihres Teams ist wissen wir bereits schon lange. Von Katharina Rumpus werden wir noch einiges mehr sehen, spätestens im nächsten Jahr, wenn sie in der Aktivenklasse wieder mit Teamunterstützung laufen kann.
Bei den anderen deutschen A-Juniorinnen war für Alisa Gutermuth (Darmstadt) im 500-m-Halbfinale Schluss, für Tamara Schmitt (Groß-Gerau) bereits im Viertelfinale.
In der Aktivenklasse ist Jana Gegner weiter auf Erfolgskurs, in den letzten beiden Jahren stagnierten ihre Leistungen ja ein bisschen. Im 300-m-Sprint als Vierte noch knapp am Edelmetall vorbei gelaufen, holte sie nun Silber im 500-m-Finale. Lediglich die 300-m-Weltrekordlerin Erika Zanetti (Italien) war in diesem 500-m-Lauf nicht einholbar. Vorbildlich hier wieder der Kampfeswille von Sabine Berg (Gera), die hier den dritten Platz gegen die Italienerin Desirée Contenti ersprintete, obwohl Berg in diesen Tagen noch nicht ganz so fit zu sein scheint wie im Vorjahr. Laethisia Schimek (Groß-Gerau), die im Vorlauf und im Viertelfinale souverän weiterkam, scheiterte im Halbfinale.
Die Geraer B-Juniorin Jenny Peißker machte gleich bei ihrem ersten JEM-Auftritt auf sich aufmerksam. Sie hatte über 300 m am ersten Wettkampftag schon einen guten 7. Platz erlaufen und holte heute über 500 m die Bronzemedaille. Im zweiten JEM-Start schon eine Medaille, das ist eine besondere Gratulation wert, es wird sicher nicht ihre letzte sein. Josie Hofmann (Gera) und Monique Theile (Halle) scheiterten im 500-m-Viertelfinale der B-Juniorinnen.
Bei den Herren kam keiner der deutschen Starter (Dennis Dressel-Gera, Etienne Ramali-Groß-Gerau) über das 500-m-Viertelfinale hinaus. Ähnlich erging es den A-Junioren über 500 m, Thimo Kießlich (Darmstadt) scheiterte bereits im Viertelfinale, Tim Gegner (Dessaus) nach großer kämpferischer Leistung im Halbfinale. Philipp Forstner (Groß-Gerau) wurde disqualifiziert. Beim Finale der A-Junioren tat sich der Sieger Mauro Corselli (Italien) nach dem Zieleinlauf besonders unfair und unrühmlich hervor, indem er mit ausgestrecktem Mittelfinger seiner rechten Hand provokativ an der zahlreich besetzten französischen Fan-Tribüne vorbeifuhr (der Franzose Darren De Souza wurde in diesem recht hart ausgetragenen Rennen Zweiter). So etwas wurde bei anderen Veranstaltungen schon mal mit Disqualifikation geahndet, hier passierte nichts. Auch das anwesende Fernsehen filmte, soweit ich das gesehen habe, nur die Buh-Rufe der französischen Fans, nicht aber die Ursache hierfür.
Pech hatte Simon Albrecht bei den B-Junioren, der im 500-m-Halbfinale von einem Italiener unfair „abserviert“ wurde und dann nicht mehr auf einen der zwei rettenden Plätze laufen konnte. Die Verwarnung für den Übeltäter nutzte Albrecht da auch nichts mehr.

Mit Spannung erwartete man die kombinierten Punkte-/Ausscheidungsrennen der Aktiven und A-Junioren über 10000 m, denn insbesondere nach dem Skandal-Ausscheidungsrennen der Aktiven Herren am ersten Wettkampftag lag bei einigen Läufern der Adrenalinspiegel extrem hoch. Gottseidank setzten die Betreffenden dies in sehenswerte sportliche Leistungen um. Insbesondere der belgische Weltmeister Bart Swings wollte es allen zeigen, und er tat dies auch in beeindruckender Weise. In der ersten Hälfte des Rennens lag er in etwa punktgleich mit dem Italiener Matteo Amabili, dann aber flog er regelrecht dem Feld davon und holte mit fast einer dreiviertel Runde Vorsprung alle folgenden 2-Punkte-Zwischenwertungen. Am Schluss lag er mit 44 Punkten Welten vor Amabili (14 Punkte). Von den deutschen Läufern machte hier der Berliner Viktor Wilking sein Meisterstück, auch er lief nach seiner völlig ungerechtfertigten Disqualifikation am ersten Wettkampftag mit einer gehörigen Wut im Bauch. In den Zwischensprints hatte er zwar gegen die Mannschaftsarbeit der Italiener und den überragenden Bart Swings keine Chance zu Punkten, wurde aber im Zieleinlauf Dritter und holte damit den hervorragenden siebten Platz in diesem Rennen, nur einen Punkt hinter dem Sechstplatzierten Holländer Crispijn Ariens. Das ist persönliche EM-Bestleitung für Wilking. Die beiden anderen deutschen Teilnehmer, Felix Rijhnen (Darmstadt) und Pascal Ramali (Groß-Gerau) schieden ob des enormen Tempos bereits früh aus.
Was noch fehlt ist das Kapitel Pech. Das traf vor allem die Damen im kombinierten Punkte-/Ausscheidungsrennen. Schon recht früh stürzte Tina Strüver (Halle) und musste damit ausscheiden. Die überragende Italienerin Simona Di Eugenio stand mit 39 Punkten kurz vor Schluss faktisch schon als Europameisterin fest, drei Runden vor Schluss lag die Darmstädterin Mareike Thum mit 11 Punkten klar vor der Holländerin Mariska Huisman (9 Punkte) auf dem Silber-Platz, und da Di Eugenio mit ihrer Mannschaftskollegin Lardani schon deutlich weggelaufen war hätte Thum nur entspannt ins Ziel laufen müssen, denn bei der letzten Ausscheidung hätte sich notfalls die noch im Rennen befindliche Sabine Berg herausnehmen lassen, und Huisman hätte maximal noch einen Punkt beim Zieleinlauf holen können. Stattdessen aber der GAU: In der Kurve vor der Zielgeraden stürzen Thum und Berg übereinander, ohne Fremdeinwirkung. Statt des Vize-Europameistertitels (den holte sich Huisman vor Lardani) gab es mit drei Stürzen die Höchststrafe für das deutsche Team.

Im kombinierten Punkte-/Ausscheidungsrennen der Junioren A über 10000 m hatten Philipp Forster (Groß-Gerau) und Thimo Kießlich (Darmstadt) keine Chance in die Punkltesprints einzugreifen, sie landeten auf Mittelfeld-Plätzen. Der (sehr fair geführte) Vierkampf in diesem Rennen zwischen Pierre-Yves Peridy (Frankreich), Matteo Melis (Italien), Mathias Vosté (Belgien) und Stefan Due Schmidt (Dänemark) war äußerst sehenswert und endete in dieser Reihenfolge, vor allem der Franzose Péridy lief in der Endphase zu beeindruckender Form auf.

Der Medaillenspiegel gibt die Überlegenheit des itallienischen Teams wieder, das von den bisher vergebenen 20 Titeln 17 gewann, zwei Titel gingen an Frankreich, einer an Deutschland (Gold/ Silber/ Bronze/ Gesamt):

  1. Italien (17/ 11/ 6/ 34)
  2. Frankreich (2/ 5/ 7/ 14)
  3. Deutschland (1/ 3/ 4/ 8)
  4. Österreich (1/ 1/ 0/ 2)
  5. Belgien (1/ 0/ 2/ 3)
  6. Spanien (0/ 1/ 2/ 3)
  7. Niederlande (0/ 1/ 1/ 2)